
Panik!!!
#MINIDRAMA_1 in 7 Bildern
Teil des Projektes #KETTENREAKTIONEN des Greizer Theaterherbstes 2020
A: Junge Krankenschwester
B: Patientin
C: Chefarzt
D: Arzt
Mit * gekennzeichnete Stellen nachträglich vom Lektorat eingefügt.
Im Krankenhaus*
Die junge Krankenschwester A sitzt vor dem Monitor des Computers und
studiert die Krankenakte der Patientin B, als Chefarzt C den Raum betritt. Sofort
setzt sie sich aufrechter und beobachtet aus den Augenwinkeln jeden seiner
Schritte.
A: Guten Morgen Dr. C! sagt sie freundlich und mit angenehm tiefer Stimme, die
einen sofort an erotische Anrufsaufforderungen im nächtlichen
Fernsehprogramm denken lassen.
C: Guten Morgen Schwester A! Da freut man sich doch sofort auf den
Arbeitstag, wenn man so freundlich begrüßt wird...!! Gab es besondere
Vorkommnisse in den letzten Stunden?
Dabei stellt er sich hinter ihren Bürostuhl und schaut ihr erst von oben aufs
Gesicht und dann über ihren Kopf in Richtung Bildschirm. Sie lässt sich
zurücksinken in die Lehne, schaut ihn von unten her lächelnd an.
A: Alles ruhig bisher. Unsere Patientin B wartet ungeduldig auf die Visite. Sie
ist doch sehr beunruhigt und fiebert ihrem Befund entgegen. Wollen wir
denn gleich starten?
C: Lassen Sie uns erst noch gemeinsam frühstücken und dabei über diesen
Fall und alles sonstige Neue, Interessante, Systemrelevante oder auch
nicht vieldeutig grinsend reden.
A: Das hört sich nach einem guten Plan an Herr Doktor.
B stürmt aufgebracht ins Schwesternzimmer und unterbricht das Gespräch der
beiden und baut sich vor C auf.
B: Ich hab es doch gleich gesagt – das sind keine chronischen,
psychosomatischen Symptome. Es sind Parasiten – eindeutig. Heute
morgen haben sich wieder zwei dieser Würmer aus dem Bein geschraubt!
Ich hab‘s gewusst – Sie sind kein Arzt sondern ein Kurpfuscher der sich
ungeheuer wichtig vorkommen muss weil er sonst keinen hoch kriegt!!! –
Schwester, geben Sie mir die Formulare, ich werde mich auf eigene Gefahr
selbst entlassen!
A: Aber Frau B! Beruhigen Sie sich doch. Wir wollten gerade –
C: gleichzeitig
Bitte! Ich muss doch sehr bitten! Ich kann ja –
B: Fällt den beiden ins Wort.
Schluss mit diesen Beschwichtigungen, ich bin doch nicht auf den Kopf
gefa-
C: B I T T E ! ! ! Sie sind aufgebracht, Sie sind beunruhigt. Ich kann das
vollkommen na-
B: Können Sie nicht – oder ist Ihnen heute auch ein Wurm aus dem Bein
gekrochen und hat dabei an den Nerven gezerrt, dass sich das
Rückenmark kaum am Gehirn halten konnte?
A: flötend
Aber, aber! Wir können doch über alles reden. Da hilft doch sicher eine
Dosi-
B: Nicht mehr. Nicht mit mir! Her mit dem Wisch oder ich gehe ganz ohne
diesen lächerlichen Wisch und dann kann ich mir ja überlegen, ob ich das
–
C: Schlägt B ins Gesicht und zischt.
mit solchen wie Ihnen bin ich –
B: Sind Sie was? Ich empfehle mich.
Stürmt unbesänftigt aus dem Zimmer.
C ist ebenso schockiert wie selbstgerecht aufgeplustert und schüttelt sich als
könnte er einen Morgendlichen Traum vertreiben.
A: Das war vielleicht ein Auftritt! mehr zu sich Hoffentlich fliegt uns die Dame
nicht um die Ohren...
C: aufgeregtes Kopfschütteln, mit dem Blick B folgend, wie sie das
Schwesternzimmer verlässt
Miststück!
A: Also bitte, Herr Doktor! Ihre Wortwahl…! empört sich A
C dreht sich ruckartig zu A um und zeigt wütend mit dem Finger auf A.
C: …und Sie waren jetzt auch nicht wirklich eine Hilfe!
Dreht sich um und stürmt aus dem Schwesternzimmer.
Währenddessen rennt B fluchtartig aus dem Krankenhaus mit den Gedanken in
Panik versunken und vor sich hin murmelnd.
B: Würmer, Würmer… überall Würmer! Wie soll ich jetzt den Schmerz
ertragen, wenn wieder einer aus meinem Bein gekrochen kommt? Ich
spüre den Schmerz das ganze Rückenmark hoch.
B stoppt mitten im Lauf, erstarrt ein schockierender Gedanke hat sich geformt…
B: Was, wenn sich die Parasiten das Rückenmark hoch fressen? Dann kann
mir weder dieser Kurpfuscher noch irgendein richtiger Arzt helfen!
Ein Schrei! Quietschende Reifen! B schaut nach Links.
Auf der Straße*
B schaut nach links die Straße hinunter und reißt erschrocken die Augen auf.
Ein rotes Auto ist zu sehen, das frontal gegen eine Straßenlaterne gekracht ist.
Die Motorhaube ist eingedrückt und es qualmt. Passanten stehen an der
Unfallstelle. Einige filmen mit ihren Handys, während andere einer älteren Dame
aus dem Fahrzeug helfen. In der Ferne ist das Heulen von Sirenen zu hören.
B: Oh mein Gott, wie schrecklich!
Nähert sich langsam dem Ort des Geschehens.
Hoffentlich ist mit der Frau alles in Ordnung.
B reiht sich in den Kreis der gaffenden Passanten ein.
Ein Krankenwagen bremst mit quietschenden Reifen. Die Türen öffnen sich;
zwei Sanitäter und Dr. C) steigen aus, eilen zum Unfallopfer und beginnen mit
den Erste Hilfe-Maßnahmen.
B: zu sich selbst
Na, das hat ja gerade noch gefehlt. Was macht denn der Quacksalber hier?
War er nicht eben noch mein Arzt in der Notaufnahme? Kein Wunder, dass
er zu keiner vernünftigen Diagnose fähig ist und die Würmer, die mir
innerlich das Bein zerfressen, nicht gefunden hat. Wahrscheinlich völlig
überarbeitet der Mann.
B schüttelt resigniert den Kopf und beobachtet das Geschehen weiter.
C: zu den Sanitätern
Patientin bei Bewusstsein, ansprechbar, möglicherweise unter Schock.
Keine äußeren Verletzungen sichtbar. wendet sich dem Unfallopfer zu Haben
Sie Schmerzen? Können Sie mir sagen, ob Ihnen irgendetwas wehtut?
Die Verletzte murmelt Unverständliches und deutet auf ihr Bein.
B: Reißt die Augen weit auf, wird aschfahl im Gesicht und keucht.
Also doch, ich wusste es. Die Würmer sind ansteckend und bestimmt
bereits im Gehirn der Frau angekommen, wo sie es von innen her
zerfressen. Deswegen hat sie auch die Kontrolle über ihr Auto verloren
und ist gegen die Laterne gefahren.
Blickt sich hektisch nach den anderen Passanten um und schreit hysterisch.
Verschwinden Sie schnell von hier, sonst wird Ihr Gehirn auch von
Würmern gefressen. Die Frau ist ansteckend, genau wie ich.
B deutet auf ihr eigenes Bein und murmelt weiter panisch wie im Wahn vor sich
hin.
Passanten rücken von B ab.
C: Blickt von seiner Arbeit auf und sieht B.
Sie schon wieder. Haben Schwester… Person A und ich Ihnen nicht bereits
im Krankenhaus gesagt, Sie sollen nach Hause gehen. Und hören Sie um
Himmels willen auf hier so herumzuschreien. Es ist alles in Ordnung! Sie
sind völlig gesund. Es gibt keine ansteckende Krankheit, bei der Würmer
ihr Bein fressen oder übers Rückenmark bis in Ihr Gehirn vordringen. Das
ist nur Einbildung!!!
B: aufgebracht
Was? Was fällt Ihnen ein Sie...
B: aufgebracht
Was? Was fällt Ihnen ein Sie Scharlatan, Sie! Sie sind doch selbst infiziert.
Sie wissen es bloß nicht. Die Würmer werden auch Sie von innen heraus
auffressen. Sie werden sehen und dann werden Sie mir glauben. Doch
dann wird es zu spät sein und Sie sind schuld daran. Die ganze Welt wird
von Würmern zerfressen. Sie sind schuld, weil Sie mir nicht glaubten. Sie
sind an allem schuld!
B lässt Dr. C verdattert stehen und rennt, noch immer ihm hinterher fluchend,
davon.
B: Sie sind schuld! Weil Ihretwegen mir niemand glaubt!
C kopfschüttelnd, widmet sich wieder seiner eigentlichen Aufgabe zu, der
Ersten-Hilfe Versorgung eines Unfallopfers – eine Frau, die gegen einen Baum
fuhr und an ihren Beinen verletzt ist. Zusammen mit seinem Team an Sanitätern
tragen sie die unter Schmerz stehende Dame zum Krankenwagen und brausen
mit Eiltempo gen Klinik davon.
B: In blindwütiger Rage, rennt ziellos durch die Straßen der Stadt. Schreit sich
immer heiser, bis die Luft ausgeht und nur noch unverständlich brabbelt.
Nach Hause soll ich gehen, hat der Kurpfuscher mir gesagt. Gesund soll
ich sein. Alles einbilden würde ich mir. Aber ich bilde mir nichts ein. Nein,
ich habe keine Wahnvorstellungen. Nach Hause zurück? Nein, niemals!
Der Doktor hat seinen Verstand verloren, nicht ich...
Inzwischen beginnt es zu nieseln. B irrt nach Stunden noch immer umher und
spricht wahllos Passanten an.
... überall Würmer … die Welt geht unter! ...
Sie weichen der zerstreuten Person B angewidert aus.
Eine Jugendclique lungert an einer Bushaltestelle. Sie schützen sich vor dem
zunehmenden Regen. Auf einem Bierkasten plärrt ein Player ihre neuste coole
hippige Musik, derweil sie untereinander völlig weltvergessen mit ihren
turtelnden spielerischen Liebeleien beschäftigt sind.
Plötzlich steht B zerlumpt durchnässt und wild gestikulierend vor ihnen. Sie
grinsen B an. Jemand steckt B eine Zigarette zu. Sie halten B für eine
obdachlose Person. B schwadroniert irgendwas von fressenden Würmern, die
sich durchs Gehirn schleichen, sich weiter durch Rückenmark und Beine nagen,
höchst ansteckend sind und das Ende der Welt bedeuten. Kichernd und
murmelnd nicken sie den phantastischen Erklärungen von B zu. Als sich B von
ihnen verabschiedet, winken manche B nach und andere wackeln bloß mit ihrer
Hand vor ihrer Stirn. Sie lachen über B und sind Augenblicke später wieder
selbstvergessen in ihre Welt der Amors versunken.
B: Gestärkt, fühlt sich endlich bestätigt. Ja, diese jungen Leute, sie glauben B. Sie
verstehen B. Also hat B Recht. B muss Recht haben. Mittlerweile gießt es wie
aus Eimern, doch B stört es nicht. B irrt noch immer noch ziellos herum, noch
immer emotional völlig aufgewühlt. Plötzlich stolpert B und landet mit der Nasenspitze direkt auf einer aufgeweichten Erdkuhle voller Regenwürmer. Wie
elektrisiert starrt B vor sich.
Ich habe es doch gewusst und jetzt fallen mir die Würmer aus meinem Hirn
raus. Ich bin doch nicht wahnsinnig. Hier ist der Beweis. Ich werde von
den Viechern tatsächlich zerfressen. Ich brauche Hilfe. – HILFE!!!
A: müde
Als Krankenschwester hatte sie heute einen langen Dienst. Jetzt ist sie auf
ihrem Nachhauseweg, welcher bei dem heftigen Unwetter am schnellsten durch
den Stadtpark führt. In dem Moment sieht sie eine Person stolpern und hört sie
laut um Hilfe schreien. Ihrem Berufsethos folgend, eilt sie schnellstens hinzu.
A: völlig überrascht und wiedererkennend
B? Was machen Sie denn hier?...
B: aufgebracht
Sehen Sie nicht was los ist? Die Würmer kommen schon aus meinem
Kopf! Hier ist der Beweis! Aber Doktor C will mir ja nicht glauben. Er nimmt
mich nicht ernst, er denkt ich phantasiere, er hat mich nach Hause
geschickt! Doch er wird es noch merken, alle Menschen werden es
merken, aber erst wenn es zu spät ist.
A ist entsetzt über den Zustand von B und fragt sich was jetzt am klügsten zu
tun ist. Sie sieht die sich kringelnden Regenwürmer und denkt sich, das kann
doch alles nicht wahr sein. So gern möchte sie einfach nach Hause gehen und
endlich ihre Ruhe haben. Da kommt ihr die rettende Idee… . Sie hilft B
aufzustehen und redet beruhigend auf sie ein.
A: sanft
Ich kümmere mich um Sie, ich werde Sie jetzt erstmal nach Hause bringen,
dann schlafen Sie sich aus und morgen sehen wir weiter.
Wie von A erwartet, schreit B sofort wieder los.
B: wütend
Ich habe es Ihrem Doktor doch schon gesagt, ich gehe nicht mehr nach
Hause. Was soll ich da? Warten bis mich die Würmer aufgefressen haben,
als erstes Todesopfer dieser weltweiten Katastrophe, die alles Leben
vernichten wird?
A holt ihr Handy aus der Tasche und versucht B zu beruhigen.
A: Spricht langsam und ruhig.
Es ist gut ich habe Sie verstanden. Sie möchten nicht mehr nach Hause.
Ich rufe jetzt Doktor C an, dass er einen Krankenwagen schickt.
Der Regen hat inzwischen aufgehört.
A führt B zu einer Bank, damit sie sich setzen kann, alles ist nass, notdürftig
wischt sie mit einem Taschentuch über die Sitzfläche.
B: Setzt sich und sinkt in sich zusammen.
Danke. mehr zu sich selbst
Endlich ein Mensch der mir glaubt. Vielleicht kann ich doch noch gerettet
werden.
A wendet sich ab, geht ein paar Schritte zur Seite, um zu telefonieren.
Doch C meldet sich nicht. Sie schaut auf die Uhr und weiß, dass er jetzt schon
zu Hause bei seiner Familie ist. Sollte er dort ihre Nummer sehen, nimmt er den
Anruf nie entgegen. Jetzt gibt es nur noch eine Möglichkeit. Sie geht noch ein
paar Schritte zur Seite und wählt die Nummer 112.
A: Leise sprechend.
Mein Name ist A, ich befinde mich im Stadtpark von Z., in der Nähe des
Lessing-Denkmals. Hier habe ich eine verwirrte, weibliche Person
gefunden. Sie war gestürzt und lag im Matsch, wo auch ein paar Regenwürmer waren. Die Person ist sehr aufgeregt, erzählt, dass die
Würmer aus ihrem Kopf kommen und sie von innen her auffressen. Nein,
die Person ist äußerlich nicht verletzt.
Schweigen. Sie hört der Person am Handy zu.
Ich kann das schon einschätzen, schließlich bin ich Krankenschwester.
Die Frau ist total verwirrt und sollte zu ihrem eigenen Schutz erstmal in
eine…
B: Ruft von der Bank her.
Warum dauert das Gespräch so lange, haben sie C erreicht?
A: Ruft zu B.
Kleinen Moment, ich bin gleich wieder bei Ihnen.
Ins Handy leise sprechend.
Bitte schicken Sie einen Wagen und informieren Sie die Psychiatrie in Z.
über den bevorstehenden Zugang!
In der Psychiatrie*
B ist in der Psychiatrie angekommen.
Der neue behandelnde Arzt setzt sich zu ihr.
D: Erzählen Sie mir bitte, was passiert ist!
B: Schuld ist nur Eframo.
D: Wer?
B: Das Efeurankenmonster, es kommt in der Nacht, schüttelt mich durch,
dann setzt es sich auf meinen Kopf und presst mir die Würmer rein und
manchmal noch diese grässlichen Kakerlaken, die mich zerfressen.
D: Schaut zur Schwester und sagt leise:
Bitte ziehen Sie eine Spritze auf.
B: Klammert sich an Ds Arm.
Bitte, bitte retten Sie mich, bitte, bitte!
D: Aber gern!
Ende

VERLAG DER GREIZER THEATERHERBSTAUTOR*INNEN
Der Verlag der AutorInnen gehört den AutorInnen des Verlags