Das war der XXXI. Greizer Theaterherbst

Der Urknall, das Wasser als Essenz des Lebens, ein Ort im Erzgebirgskreis, Mutter Erde oder der Stern um den wir kreisen; woran denken wir, wenn wir Ursprung hören? Was ist er, der Ursprung allen Seins? Vielleicht liegt er auch im Kleinsten verborgen?
Das Motto der 31. Festivalausgabe dreht sich rund um das Motto „Ursprünge“. Der künstlerische Leiter Jan Baake kuratierte das Festival in diesem Jahr und kehrte als gebürtiger Thüringer für diese Arbeit zu seinen eigenen Ursprüngen zurück.
Zentraler Ort war in diesem Jahr wieder der Greizer Bahnhof. So wurden dessen Türen bereits einen Tag vor offiziellem Festivalbeginn geöffnet und lockte alle Neugierigen, der Vernissage der Gestaltungs- und Klangwerkstatt beizuwohnen. Die Gestaltungswerkstatt mit dem Titel „Mir steckt die Kindheit in den Knochen“ (Leitung: Julia Kopa) hat es geschafft mit viel Liebe zum Detail und den eigenen Erinnerungen der Teilnehmenden mehrere Räume mit ihren Ausstellungsobjekten zu bestücken und die Räume selbst in Kunstwerke zu verwandeln. Während diese erste Etage zum Stöbern und Verweilen einlud, lockte das Dachgeschoss mit archaischen Klängen. Das Klanglabor „Urknall“ (Leitung: Albrecht Fersch) öffnete an diesem ersten Abend mit einem anarchischen Konzert seine Pforten und lud auch die Besucher:innen ein im Anschluss den eigenen Rhythmus zu entdecken. Singende Sägen, Flaschenklaviere, selbstgebaute Orgelpfeifen, Didgeridoos aus Abflussrohren und verschiedenstes Schlagwerk wollen bespielt werden. Diese beiden Werkstätten präsentierten ihre Ergebnisse noch während des gesamten Festivals.
Die Eröffnungswerkstatt (Premiere 16.09.2022) „Paradise Lost“, geleitet von Jens Heuwinkel, erkundete ausgehend vom gleichnamigen Gedicht von John Milton die großen Zusammenhänge in der Welt. Es entstand eine Collage über Schöpfungsmythen unter Verwendung von Texten von John Milton, Walter Benjamin, Mary Shelley und der Bibel. Die Teilnehmenden hauchten dem Greizer Schlossgarten mit ihrem Spieltrieb und ihrer Energie Leben ein und verwandelten die Kulisse vor dem Unteren Schloss in eine mystische Atmosphäre.
Die Kinderwerkstatt bot den Teilnehmenden in diesem Jahr eine ganz besondere Arbeitserfahrung. Unter den wachsamen Augen von Marie Spinka und Hannah Drescher begleiteten die zwei Bühnenziegen Teffi und Lale die Kinder durch die gesamte Probenphase. Auch wenn sie am Ende nicht mit auf der Bühne standen, sorgten die beiden Tiere für einen achtsamen Umgang und ein verantwortungsvolles Miteinander. Im Hotel „Haus Friedensbrücke“ wurde schließlich das Märchen „Das Waldhaus“ aufs Parkett gebracht und die Kinder übten sich nicht nur im Schauspielen, sondern auch als Bühnen- und Konstümbildner:innen.
Im Pferdestall des Oberen Schlosses gab es in diesem Jahr nicht nur etwas zu sehen, sondern vor allem etwas zu hören! Die (Live-)Hörspielwerkstatt „Herztöne“ (Leitung: Sarah John) verwob Sagen aus Greiz und Umgebung mit Hauffs Märchen „Das kalte Herz“ zu einer bezaubernden Geschichte. Durch selbst erzeugte Geräusche von Gegenständen, zweckentfremdeten Instrumenten, Loops und Musik ergab sich eine wunderbare Atmosphäre, die auch die Herzen der Zuschauenden höher schlagen ließ.
Die diesjährige Schauspielwerstatt präsentierte sich auch in den vertrauten Hallen des Greizer Bahnhofs. Mit viel Geschrei, Trubel und lauten chorischen Gesängen wirbelten die Schauspielenden gemeinsam mit dem Publikum durch die deutsche Geschichte ab 1848. Mit großer Spielfreude und unglaublicher Energie begeisterte das Ensemble unter der Leitung von Ulrich Schwarz die Zuschauer:innen. Das Stück „Heimatabend - ein Tauchversuch“, durch den künstlerischen Leiter Jan Baake als „Wimmelbild“ bezeichnet, lud auch zu einem mehrmaligen Besuch ein, da sich immer wieder aufs Neue Referenzen und subtil-satirische Spitzen gegen das deutsche Wesen (, an dem die Welt mag nicht genesen) entdecken ließen.
Die Werkstätten wurden natürlich auch in diesem Jahr wieder mit großartigen Gastspielen umrahmt. So forderte das „Stück“ (insofern man es überhaupt so nennen mag) „Bouffon“ den Zuschauenden heraus, die eigenen Vorstellungen und Erwartungen im Hinblick auf das „was man im Theater zu sehen bekommt“ zu hinterfragen. In avantgardistischer Manier brach Utz Pannike mit jeder Konvention. Er tanzte durch den Publikumsraum, sang mit dem Publikum ein Lied, aß hocherotisiert einen Kopfsalat und ließ die Zuschauenden staunend und fragend, aber sichtlich erheitert zurück.
Ebenso das Jazzwerkorchester stattete dem Theaterherbst einen Besuch ab und auch ein Stück des künstlerischen Leiters („Tristan und Isolde“) durften wir als Gast begrüßen. Auch unser Straßentheaterfest war trotz des Regens ein Erfolg. Alle Besuchenden hatten sichtlich Spaß, egal ob als Zuschauende bei einer Impro-Show, als Workshopteilnehmende, als Kinofans beim Filmtheater Funkelfix oder beim spontanen Flashmob im Tauziehen quer durch den Greizer Schlossgarten. Das Festival zeigte allen Beteiligten wieder aufs Neue, wie schön es ist im Herbst zu diesem Ereignis zusammenzukommen. Es offenbarte aber auch Aufgaben für die Zukunft, zu deren Lösung alle Interessierten und Begeisterten herzlich eingeladen sind.